Kommen
wir in diesen Teil nun dazu die Frage zu beantworten, ob es dem Staat gelingt,
auf das Geschäftsguthaben der Mitglieder einer Genossenschaft – auf das
Eigenkapital der Genossenschaft – zuzugreifen. Nach den derzeit geltenden
Gesetzen nicht! Obwohl man heute leider sagen muss, was gilt das schon. Doch
was sagte dazu unser von allen verehrter Johann Wolfgang von Goethe: „Wo Recht
zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ (s.a. Artikel 20 (4) GG).
Was
ist rechtens:
„Das
Geschäftsguthaben ist ein in der eG mitgliedschaftsrechtlich gebundener
Vermögenswert, aber kein subjektives Recht. Er kann daher als solches während
der Dauer der Mitgliedschaft nur gem. § 76 GenG auf einen Mitgenossen übertragen und
weder der eG (§ 22 IV) noch einem Dritten gem. §§ 1273 BGB verpfändetwerden.
Er ist als solcher auch nicht pfändbar.“ (Markierung durch Beuthien)
Kommentierung
zum GenG, Beuthien, § 22 Rn 13 – Grundsatz der Kapitalerhaltung:
„Die Geschäftsguthaben der
Mitglieder bilden mit den Rücklagen das Eigenkapital der eG. Dieses
Betriebskapital der eG ist zugleich das primäre Haftkapital für die
Genossenschaftsgläubiger. Das Geschäftsguthaben jedes Mitglieds muss daher der
eG, solange dieses nicht endgültig ausgeschieden ist, erhalten bleiben. Das
gilt auch, wenn und insoweit das Geschäftsguthaben durch freiwillige
Einzahlungen und Gewinnzuschriften gebildet wurde. Nimmt die eG Maßnahmen vor,
die den zwingenden Kapitalschutzvorschriften des § 22 IV und V widersprechen,
so haften die dafür verantwortlichen Vorstands- und AR-Mitglieder aus §§ 34 II
Nr. 1 oder 5,41.“(Markierung durch Beuthien)
Der
Schutz des Kapitals der Genossenschaft ließe sich noch an verschiedenen
Textstellen im Genossenschaftsgesetz begründen, das würde jedoch an dieser
Stelle zu weit führen. Wichtig sind hier immer noch die drei wesentlichen
Führungsprinzipien von Raiffeisen und Schulze Delitzsch für eine
Genossenschaft: „Selbstverwaltung – Selbstbestimmung und Selbstkontrolle in
einer staatsfernen Organisation“ wobei insbesondere die Staatsferne immer
weiter versucht wird, aufzuweichen. Dem sollte die genossenschaftliche
Organisation entgegen wirken.
Wie
weit die genossenschaftlichen Rechtsprinzipien aus dem Bewusstsein der Menschen
weiter verloren gehen sollen, wird an folgendem Beispiel deutlich. Der Autor
dieses Artikels ist seit vielen Jahren Mitglied der Fördergesellschaft am
Institut für Genossenschaftswesen der Philipps-Universität Marburg. Das
Institut wird getragen durch die wirtschaftsrechtliche Fakultät. Hier studieren
Juristen, die später einmal in unserer Wirtschaft führende Positionen
übernehmen wollen oder Rechtsanwälte im Wirtschaftsrecht werden. Herr Prof.
Sascha Mölls musste in seinem Geschäftsbericht anlässlich der
Mitgliederversammlung im Oktober 2019 berichten, dass im Studienjahr 2019/2020
leider das letzte Seminar zum Genossenschaftsrecht in der juristischen Fakultät
abgehalten wird. Die letzte Vorlesung wurde dazu bereits vor vielen Jahren
gelesen. Leider muss man feststellen und das wurde in der anschließenden
Diskussion deutlich, das Genossenschaftsrecht wird an den deutschen Unis
nicht mehr gelehrt!
An
dieser Stelle kann man noch länger dazu berichten, wie es sich mit der
Besteuerung der Genossenschaften und dem genossenschaftlichen Kontenrahmen
verhält. Auch hier sind Finanzverwaltungen und die Zunft der Steuerberater
überwiegend mangels Ausbildung überfordert. Sehr oft erlebe ich in meiner
Beratungspraxis, dass die oft sehr interessanten Gründungsideen in
Genossenschaften an den Vorbehalten der Steuerberater mangels Kenntnis der
Zusammenhänge scheitern.
Oder
schauen Sie sich mal die Existenzgründerseminare der deutsche DIHK´n an. Hier
wird über Rechtsformen wie GmbH, Kg, OHG und Einzelkaufmann referiert, aber
nicht, Sie ahnen es schon, über Genossenschaften!
Wir
kommen wir aus dieser Misere heraus? Nur durch Information, der Autor tut dazu
sein Möglichstes. Es gibt in Deutschland etwa 22 Mio. Menschen, die
Mitglied einer Genossenschaft sind. Die Gruppe ist groß genug, sie sollte
sich über ihre Rechte klar werden und eine Bewegung entfalten. Dann bekommt die
Genossenschaft auch in Deutschland wieder die Stellung in der Gesellschaft, die
sie verdient hat.
Olaf
Haubold
Juni
2020
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