Donnerstag, 2. Juli 2020

Genossenschaften, weiterhin aktuell? Genossenschaften als Lösung- Teil 6

Kommen wir in diesen Teil nun dazu die Frage zu beantworten, ob es dem Staat gelingt, auf das Geschäftsguthaben der Mitglieder einer Genossenschaft – auf das Eigenkapital der Genossenschaft – zuzugreifen. Nach den derzeit geltenden Gesetzen nicht! Obwohl man heute leider sagen muss, was gilt das schon. Doch was sagte dazu unser von allen verehrter Johann Wolfgang von Goethe: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ (s.a. Artikel 20 (4) GG).

Was ist rechtens:
„Das Geschäftsguthaben ist ein in der eG mitgliedschaftsrechtlich gebundener Vermögenswert, aber kein subjektives Recht. Er kann daher als solches während der Dauer der Mitgliedschaft nur gem. § 76 GenG auf einen Mitgenossen übertragen und weder der eG (§ 22 IV) noch einem Dritten gem. §§ 1273 BGB verpfändetwerden. Er ist als solcher auch nicht pfändbar.“ (Markierung durch Beuthien)
Kommentierung zum GenG, Beuthien, § 22 Rn 13 – Grundsatz der Kapitalerhaltung:
„Die Geschäftsguthaben der Mitglieder bilden mit den Rücklagen das Eigenkapital der eG. Dieses Betriebskapital der eG ist zugleich das primäre Haftkapital für die Genossenschaftsgläubiger. Das Geschäftsguthaben jedes Mitglieds muss daher der eG, solange dieses nicht endgültig ausgeschieden ist, erhalten bleiben. Das gilt auch, wenn und insoweit das Geschäftsguthaben durch freiwillige Einzahlungen und Gewinnzuschriften gebildet wurde. Nimmt die eG Maßnahmen vor, die den zwingenden Kapitalschutzvorschriften des § 22 IV und V widersprechen, so haften die dafür verantwortlichen Vorstands- und AR-Mitglieder aus §§ 34 II Nr. 1 oder 5,41.“(Markierung durch Beuthien)
Der Schutz des Kapitals der Genossenschaft ließe sich noch an verschiedenen Textstellen im Genossenschaftsgesetz begründen, das würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen. Wichtig sind hier immer noch die drei wesentlichen Führungsprinzipien von Raiffeisen und Schulze Delitzsch für eine Genossenschaft: „Selbstverwaltung – Selbstbestimmung und Selbstkontrolle in einer staatsfernen Organisation“ wobei insbesondere die Staatsferne immer weiter versucht wird, aufzuweichen. Dem sollte die genossenschaftliche Organisation entgegen wirken. 
Wie weit die genossenschaftlichen Rechtsprinzipien aus dem Bewusstsein der Menschen weiter verloren gehen sollen, wird an folgendem Beispiel deutlich. Der Autor dieses Artikels ist seit vielen Jahren Mitglied der Fördergesellschaft am Institut für Genossenschaftswesen der Philipps-Universität Marburg. Das Institut wird getragen durch die wirtschaftsrechtliche Fakultät. Hier studieren Juristen, die später einmal in unserer Wirtschaft führende Positionen übernehmen wollen oder Rechtsanwälte im Wirtschaftsrecht werden. Herr Prof. Sascha Mölls musste in seinem Geschäftsbericht anlässlich der Mitgliederversammlung im Oktober 2019 berichten, dass im Studienjahr 2019/2020 leider das letzte Seminar zum Genossenschaftsrecht in der juristischen Fakultät abgehalten wird. Die letzte Vorlesung wurde dazu bereits vor vielen Jahren gelesen. Leider muss man feststellen und das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich, das Genossenschaftsrecht wird an den deutschen Unis nicht mehr gelehrt!
An dieser Stelle kann man noch länger dazu berichten, wie es sich mit der Besteuerung der Genossenschaften und dem genossenschaftlichen Kontenrahmen verhält. Auch hier sind Finanzverwaltungen und die Zunft der Steuerberater überwiegend mangels Ausbildung überfordert. Sehr oft erlebe ich in meiner Beratungspraxis, dass die oft sehr interessanten Gründungsideen in Genossenschaften an den Vorbehalten der Steuerberater mangels Kenntnis der Zusammenhänge scheitern. 
Oder schauen Sie sich mal die Existenzgründerseminare der deutsche DIHK´n an. Hier wird über Rechtsformen wie GmbH, Kg, OHG und Einzelkaufmann referiert, aber nicht, Sie ahnen es schon, über Genossenschaften!
Wir kommen wir aus dieser Misere heraus? Nur durch Information, der Autor tut dazu sein Möglichstes. Es gibt in Deutschland etwa 22 Mio. Menschen, die Mitglied einer Genossenschaft sind. Die Gruppe ist groß genug, sie sollte sich über ihre Rechte klar werden und eine Bewegung entfalten. Dann bekommt die Genossenschaft auch in Deutschland wieder die Stellung in der Gesellschaft, die sie verdient hat. 

Olaf Haubold
Juni 2020

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