Interview mit Prof. Dr. Volker Beuthien durch Olaf Haubold, anlässlich der Zukunftskonferenz Genossenschaften am 16.01.2019 in Arnstadt


Sehr geehrter Herr Prof. Beuthien, vielen Dank für Ihren Vortrag auf der Konferenz und ihre Bereitschaft, uns für dieses Interview zur Verfügung zu stehen
.  
1. Wie können die Genossenschaften am besten ihre Zukunft gewinnen?
Die genossenschaftliche Förderwirtschaft beruht auf einer in besonderer Weise sozialen Wirtschaftsidee. Sie verspricht daher den größten Erfolg, wenn sie ihrer Grundmaxime so treu, wie irgend möglich bleibt.

2. Was ist denn das Besondere und Soziale am genossenschaftlichen Wirtschaften?
Eine Genossenschaft verfolgt gesellschaftsrechtlich nicht irgendeinen Zweck, sondern wird von einer ganz besonderen Associationsidee getragen. Ihr alles durchdringender Leitgedanke ist die kooperative Selbsthilfe aller Genossen. Um sich selbst möglichst preisgünstig zu versorgen, gründen und unterhalten die Mitglieder auf einem ihnen vor- oder nachgelagerten Markt ein Gemeinschaftsunternehmen, um sich von diesem als dessen Stammkunden für sie hauswirtschaftlich oder eigenbetrieblich förderliche Güter, Werk- oder Dienstleistungen anbieten zu lassen.

3. Inwieweit dürfen Genossenschaften dabei auch mit Nichtmitgliedern Geschäfte machen?
Das Nichtmitgliedergeschäft darf der Vorstand lediglich betrieben, wenn und soweit ihm das die Satzung gestattet und nur solange sich die Dritten nicht als Mitglied gewinnen lassen. Auch müssen alle Geschäfte mit Drittkunden im Dienste der Mitgliederförderung stehen. Infolgedessen ist jedes Nichtmitgliedergeschäft nur zulässig, wenn die Mitglieder ohne Drittgeschäft nicht oder nicht bestmöglich gefördert werden können. 

4. Darf eine Genossenschaft den Drittkunden die gleichen Konditionen bieten wie ihren Mitgliedern?
Gesellschaftsrechtlich verboten ist ihr das wohl nicht. Aber in demselben Maße, in dem die Genossen im Fördergeschäftsverkehr mit der Genossenschaft keine mitgliedschaftlichen Sondervorteile mehr erhalten, verliert die Mitgliedschaft in dieser ihren förderwirtschaftlichen Sinn und Anreiz. Mitgliedschaftliche Vorzugskonditionen stellen steuerrechtlich auch keine verdeckte Gewinnausführung dar, wie gern behauptet wird.

5. Wer ist das mächtigste Genossenschaftsorgan?
Die Generalversammlung ist zwar das oberste Genossenschaftsorgan. Aber Herr der gesamten Geschäftspolitik ist der Vorstand, weil er das genossenschaftliche Unternehmen in eigener Verantwortung, d.h. frei von Weisungen anderer Genossenschaftsorgane, zu leiten hat.

6. Muss also die Generalversammlung dem Vorstand geschäftspolitisch völlig freie Hand lassen?
Nein, das nicht. Die Generalversammlung legt in der Satzung den Unternehmensgegenstand fest und kann den Vorstand dort bei bestimmten Geschäften an ihre Zustimmung binden. Vor allem stellt die Generalversammlung den Jahresabschluss fest und ist dabei an Vorschläge des Vorstands nicht gebunden. Freilich pflegt sie diesem, ohne eigene finanzpolitische Vorstellungen zu entwickeln, in aller Regel zu folgen. 

7. Was ist die wichtigste Aufgabe des genossenschaftlichen Prüfungsverbandes?
Die Zugehörigkeit aller eingetragenen Genossenschaften zu einem genossenschaftlichen Prüfungsverband setzt die einzelgenossenschaftliche Kooperation auf Verbandsebene gemeinschaftlich fort. Sie beruht daher auf dem Grundgedanken der kollektiven Selbstprüfung aller angeschlossenen, ihrerseits förderzweckgebundenen Genossenschaften. Ganz demgemäß  hat der Prüfungsverband nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu überprüfen. Vielmehr hat er um der Genossenschaftsmitglieder Willen vor allem darauf zu achten, ob die prüfungsunterworfene Genossenschaft ihren statutarisch festgelegten Förderzweck eingehalten und erreicht hat. 

8. Was ist das genossenschaftspolitisch Wertvolle an der genossenschaftlichen Wirtschaft?
Sozialethisch wertvoll an der genossenschaftlichen Selbsthilfewirtschaft ist, dass eine Genossenschaft eigens Bürgerkapital sammelt und bündelt. Sie ist insoweit zugleich Ausdruck des gesellschaftspolitischen Wirtschaftsideals der sozialstaatsentlastenden Bürgerwirtschaft durch Bürger für Bürger. Zu Recht schreiben daher die meisten deutschen Landesverfassungen vor, dass das Genossenschaftswesen zu fördern ist.

Nochmals vielen Dank Herr Prof. Beuthien, auch für Ihre wertvollen Beiträge heute auf dieser Konferenz. 

Olaf Haubold



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