Sehr geehrter Herr
Prof. Beuthien, vielen Dank für Ihren Vortrag auf der Konferenz und ihre
Bereitschaft, uns für dieses Interview zur Verfügung zu stehen
.
1.
Wie können die Genossenschaften am besten ihre Zukunft gewinnen?
Die genossenschaftliche
Förderwirtschaft beruht auf einer in besonderer Weise sozialen Wirtschaftsidee.
Sie verspricht daher den größten Erfolg, wenn sie ihrer Grundmaxime so treu,
wie irgend möglich bleibt.
2.
Was ist denn das Besondere und Soziale am genossenschaftlichen Wirtschaften?
Eine Genossenschaft
verfolgt gesellschaftsrechtlich nicht irgendeinen Zweck, sondern wird von einer
ganz besonderen Associationsidee getragen. Ihr alles durchdringender
Leitgedanke ist die kooperative Selbsthilfe aller Genossen. Um sich selbst
möglichst preisgünstig zu versorgen, gründen und unterhalten die Mitglieder auf
einem ihnen vor- oder nachgelagerten Markt ein Gemeinschaftsunternehmen, um
sich von diesem als dessen Stammkunden für sie hauswirtschaftlich oder
eigenbetrieblich förderliche Güter, Werk- oder Dienstleistungen anbieten zu
lassen.
3.
Inwieweit dürfen Genossenschaften dabei auch mit Nichtmitgliedern Geschäfte
machen?
Das
Nichtmitgliedergeschäft darf der Vorstand lediglich betrieben, wenn und soweit
ihm das die Satzung gestattet und nur solange sich die Dritten nicht als
Mitglied gewinnen lassen. Auch müssen alle Geschäfte mit Drittkunden im Dienste
der Mitgliederförderung stehen. Infolgedessen ist jedes Nichtmitgliedergeschäft
nur zulässig, wenn die Mitglieder ohne Drittgeschäft nicht oder nicht
bestmöglich gefördert werden können.
4.
Darf eine Genossenschaft den Drittkunden die gleichen Konditionen bieten wie
ihren Mitgliedern?
Gesellschaftsrechtlich
verboten ist ihr das wohl nicht. Aber in demselben Maße, in dem die Genossen im
Fördergeschäftsverkehr mit der Genossenschaft keine mitgliedschaftlichen
Sondervorteile mehr erhalten, verliert die Mitgliedschaft in dieser ihren
förderwirtschaftlichen Sinn und Anreiz. Mitgliedschaftliche Vorzugskonditionen
stellen steuerrechtlich auch keine verdeckte Gewinnausführung dar, wie gern
behauptet wird.
5.
Wer ist das mächtigste Genossenschaftsorgan?
Die Generalversammlung
ist zwar das oberste Genossenschaftsorgan. Aber Herr der gesamten
Geschäftspolitik ist der Vorstand, weil er das genossenschaftliche Unternehmen
in eigener Verantwortung, d.h. frei von Weisungen anderer
Genossenschaftsorgane, zu leiten hat.
6.
Muss also die Generalversammlung dem Vorstand geschäftspolitisch völlig freie
Hand lassen?
Nein, das nicht. Die
Generalversammlung legt in der Satzung den Unternehmensgegenstand fest und kann
den Vorstand dort bei bestimmten Geschäften an ihre Zustimmung binden. Vor
allem stellt die Generalversammlung den Jahresabschluss fest und ist dabei an
Vorschläge des Vorstands nicht gebunden. Freilich pflegt sie diesem, ohne
eigene finanzpolitische Vorstellungen zu entwickeln, in aller Regel zu folgen.
7.
Was ist die wichtigste Aufgabe des genossenschaftlichen Prüfungsverbandes?
Die Zugehörigkeit aller
eingetragenen Genossenschaften zu einem genossenschaftlichen Prüfungsverband
setzt die einzelgenossenschaftliche Kooperation auf Verbandsebene gemeinschaftlich
fort. Sie beruht daher auf dem Grundgedanken der kollektiven Selbstprüfung
aller angeschlossenen, ihrerseits förderzweckgebundenen Genossenschaften. Ganz
demgemäß hat der Prüfungsverband nicht
nur die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der
Geschäftsführung zu überprüfen. Vielmehr hat er um der
Genossenschaftsmitglieder Willen vor allem darauf zu achten, ob die prüfungsunterworfene
Genossenschaft ihren statutarisch festgelegten Förderzweck eingehalten und
erreicht hat.
8.
Was ist das genossenschaftspolitisch Wertvolle an der genossenschaftlichen
Wirtschaft?
Sozialethisch wertvoll
an der genossenschaftlichen Selbsthilfewirtschaft ist, dass eine Genossenschaft
eigens Bürgerkapital sammelt und bündelt. Sie ist insoweit zugleich Ausdruck
des gesellschaftspolitischen Wirtschaftsideals der sozialstaatsentlastenden
Bürgerwirtschaft durch Bürger für Bürger. Zu Recht schreiben daher die meisten
deutschen Landesverfassungen vor, dass das Genossenschaftswesen zu fördern ist.
Nochmals vielen Dank
Herr Prof. Beuthien, auch für Ihre wertvollen Beiträge heute auf dieser
Konferenz.
Olaf Haubold
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