Dienstag, 30. Juni 2020

Aufsatz Olaf Haubold im Juni 2020: „Genossenschaften, weiterhin aktuell?“


Um uns der Beantwortung dieser Frage nähern zu können, müssen wir uns zuerst das Verhältnis staatlicher Schulden und privater Vermögen ansehen. Werfen wir zuerst einen Blick auf die Schulden. Damit die Staaten Schulden machen können, müssen sie sich Geld leihen, hauptsächlich von der EZB. Früher hatten sie sich das Geld auch von Ihren Bürgern geliehen, das ist jedoch in Niedrigzinsphasen nicht lukrativ für den Bürger. Also schmeißt die EZB die Notenpresse an und die Staaten emittieren Papier in Form von Staatsanleihen. Dann werden die – oft wertlosen – Zettel ausgetauscht: 
 
„Am 22. Januar 2015 kündigte die EZB ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an. Das Ankaufprogramm sieht vor, dass die EZB zusätzlich zu ihren bestehenden Programmen zum Ankauf von Vermögenswerten des privaten Sektors Staatsanleihen ankauft, um den Risiken einer zu lang anhaltenden Phase niedriger Inflation zu begegnen. Das Programm bestand zunächst aus drei Komponenten:
- 3. Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3)
- Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP)
- Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP)
Zum 1. April 2016 wurde das APP um ein Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) erweitert.
Im Dezember des Jahres 2018 wurden die Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten der EZB vorläufig beendet. Seit dem 1. November 2019 werden wieder Nettoankäufe in einem monatlichen Umfang von rund 20 Milliarden Euro durchgeführt.
Ende April 2020 belief sich der Bestand aufgekaufter Anleihen der EZB auf rund 2.705 Milliarden Euro.“ (Quelle: Statista 2020)

„Die deutschen Staatsschulden sind im Jahr 2019 um 16 Mrd. Euro gesunken (abgegrenzt gemäß Maastricht-Vertrag). Zum Jahresende betrugen sie 2,053 Billionen Euro.“ (Quelle: Bundesbank)

Die derzeitige wirtschaftliche Depression, ausgelöst durch den Lockdown im Zusammenhang mit Corona, führt zwangsläufig zu einer Wiederaufnahme bzw. Erweiterung der Schuldenprogramme, auch in Deutschland.

„Hinzu tritt der Bund mit umfangreichen Hilfsmaßnahmen. Beim Schutzschild für Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen handelt es sich um das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro.“ (Quelle: Bundesministerium der Finanzen)

Werfen wir jetzt den Blick auf das Vermögen.

„Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland belief sich zum Ende des dritten Quartals 2019 auf rund 6.302 Milliarden Euro. Damit ist es gegenüber dem zweiten Quartal 2019 um etwa 1,1 Prozent gestiegen.
Zusammensetzung des Geldvermögens:
Das Geldvermögen der privaten Haushalte gliedert sich in gehaltene Bargeldbestände, Bankeinlagen und Wertpapiere (Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Investmentfondsanteile) sowie in Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen. Mehr als ein Drittel ihres Geldvermögens halten die privaten Haushalte in Bargeld und Sichteinlagen.
Geld- und Sachvermögen summiert bilden das Gesamtvermögen der privaten Haushalte. Den größten Posten des Gesamtvermögens stellt das Immobilienvermögen inklusive Landbesitz dar. Zum Ende des Jahres 2017 belief sich das in Wohnbauten bzw. Wohngebäude investierte Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf eine Summe von rund 4,47 Billionen Euro. Das private Sachvermögen insgesamt betrug etwa 8,26 Billionen Euro.“ (Quelle: Statista 2020)

Setzt man nun berechtigt voraus, dass die von der EZB angekauften Anleihen, insbesondere aus den kreditaffinen Ländern Südeuropas zunehmend ihren Wert verlieren und durch die derzeitige ausgelöste Krise der Wirtschaft infolge des Lockdown zunehmend Unternehmensanleihen platzen werden, sieht man aus der Überdeckung der Statiken, wo die interessanten Eier im Nest liegen.     

Immer mehr Menschen fragen sich deshalb berechtigt, wie das private Vermögen gesichert werden soll, dass oft durch die Hände Arbeit über viele Jahrzehnte für einen gesicherten Ruhestand angeschafft worden ist.

Hier helfen zur Beantwortung eingangs gestellter Frage wieder gesicherte Statistiken aus der Vergangenheit:

„Die eigentlichen, geradezu vernichtenden Krisenjahre waren die vier Jahre von Anfang 1929 bis einschließlich 1932. Stellen wir also fest, wie sich in dieser Zeit der Bestand an Genossenschaften in Deutschland verändert hat. Die Zahlen sind sämtlich den Statistischen Jahrbüchern des Deutschen Reiches jener Zeit entnommen. Sie enthielten Jahr für Jahr eine Übersicht mit dem Titel „Gesamtbestand an Genossenschaften“, und zwar jeweils zum 1. Januar. Danach gab es 1929 52.153 Genossenschaften, 1930 52.559, 1931 52.505, 1932 52.030 und 1933 51.499 Genossenschaften.
Ihre Zahl nahm also in diesen vier Krisenjahren um 654 ab. Das sind sage und schreibe lediglich 1,25%!
Am 1. Januar 1929 gab es 11.842 Aktiengesellschaften. Vier Jahre später, am 31. Dezember 1932, lag diese Zahl bei 9.638. Die Abnahme betrug also 2.204 Aktiengesellschaften. Das entspricht einer Quote von 18,6% gegenüber 1928/29.
1926 gab es in Deutschland 57.338 GmbH. In den Jahren 1927 und 1928 nahm die GmbH-Zahl zusammen um 11.248 ab. Sie betrug also um die Jahreswende 1928/1929 noch 46.090. Diese Zahl verminderte sich nun 1929 um 2.490 und in den folgenden drei Jahren um zusammen 1.440 Unternehmen in den vier uns hier interessierenden vier Krisenjahren also um 3.930. Das ergibt einen Anteil von 8,5%.
Diese Zahlen sollen noch einmal untereinander gestellt werden: Abnahme bei den Genossenschaften um 1,25%, Abnahme bei den Aktiengesellschaften um 18,6%, Abnahme bei den GmbH um 8,5%. Der Anteil der Unternehmen in den beiden kapital-gesellschaftlichen Rechtsformen verminderte sich also um das 15fache und das 7fache gegenüber der genossenschaftlichen Rechtsform.“ (Quelle: Wilhelm Kaltenborn, Verdrängte Vergangenheit. Heinrich-Kaufmann-Stiftung 2015)

Prof. Volker Beuthien, führender Kommentator zum Genossenschaftsrecht bezeichnete die Genossenschaften einmal als „Kinder der Not“. Was liegt demnach näher, als in Notzeiten die Genossenschaften – die Beteiligung an einer Genossenschaft – als sinnvollen und sehr oft ertragreichen Ausweg zur Sicherung des Geldvermögens zu suchen? Hier bieten viele Genossenschaften, teilweise schon 100 Jahre bestehende oder in den letzten Jahren neu gründete Genossenschaften attraktive Beteiligungsangebote an. Wichtig dabei ist immer, dass die Genossenschaftsbeteiligung eine Beteiligung als Unternehmer an einem Unternehmen ist, deshalb sollte man sich vorher über die Genossenschaft, und Ihren Geschäftsbetrieb informieren. Die Unternehmensleitungen geben dazu in der Regel bereitwillig Auskunft.

Einige Menschen entscheiden sich auch, selbst eine Genossenschaft zu gründen. Bevor wir intensiver darauf eingehen, warum Menschen sich entscheiden, selbst eine Genossenschaft zu gründen, müssen noch einige Bemerkungen gemacht werden, was den deutschen Staaten in den letzten 100 Jahren so eingefallen ist, an das Vermögen seiner Bürger in Notsituationen zu kommen.

Erste Möglichkeit – die Währungsreform:
„Ein Deutscher, der 1921 in Leipzig geboren wurde, hat bisher sechs Währungen miterlebt; im Durchschnitt wechselte sein Zahlungsmittel alle 15 Jahre. Während die Hebamme bei der Geburt unseres Mitbürgers
noch in Mark entlohnt wurde, einer Währung, die volkstümlich Goldmark hieß, bezahlten seine Eltern später in Rentenmark und Reichsmark. Selbst wenn man die zwischenzeitlich kursierende Alliierte Militärmark ausnimmt, schlossen sich die DDR-Mark an, nach der Wiedervereinigung die Deutsche Mark und zuletzt der Euro. In welcher Währung die Beerdigungskosten
des mittlerweile 90-Jährigen zu entrichten sein werden, ist unklar.“ (Quelle: Prof. Stefan Homburg - Erinnerungen an die deutschen Währungsreformen)
Der Verfasser dieses Artikels hat selbst drei Währungsreformen, von der DDR-Mark zum Euro erlebt. Ich empfehle interessierten, sich den Artikel im Internet von folgender Quelle: „ifo Schnelldienst 19/2011 – 64. Jahrgang“ herunterzuladen.

Zweite Möglichkeit – Gesetzesinitiativen:
Reichsnotopfergesetz (RNOG) vom 31. Dezember 1919 (RGBl. 1919, S. 2189). Das Reichsnotopfer war eine reelle Vermögensteuer. Abgabepflichtig waren natürliche und juristische Personen. Der Freibetrag betrug 5.000 Mark (für Verheiratete 10.000 Mark). Progressiv besteuert wurden Sach- und Realvermögen wie Bargeld, Bankguthaben, Forderungen, Wertpapiere, Aktien, Anleihen, Immobilien und Maschinen. Die Steuersätze starteten bei 10 % und stiegen bis 65 % für Vermögen über 2 Millionen Mark an. (Quelle: Wikipedia)
Notverordnungen der Regierung Brüning – 1. Notverordnung vom 1.Dezember 1930, 2. Notverordnung vom 5. Juni 1931, 3. Notverordnung vom 6. Oktober 1931 und 4. Notverordnung vom
8. Dezember 1931. Mit Ausnahme der Steuersenkungen handelt es sich in den Notverordnungen so gut wie ausschließlich um Maßnahmen, die geeignet waren, die bei den Konsumenten verfügbaren Einkommen zu vermindern, die Staatsausgaben zu kürzen oder potentielle Investoren von Investitionsplänen abzuschrecken. Für jede Kategorie sollen einige Beispiele folgen:
1. Verminderung der bei den Konsumenten verfügbaren Einkommen: Herabsetzung der Beamtenbezüge, Einführung neuer (Bürgersteuer) und Heraufsetzung bestehender Steuern (Zuckersteuer, Umsatzsteuer), Senkung der Löhne und Sozialleistungen;
2. Kürzung der Staatsausgaben: Ausgabenbegrenzung Ausgabensperre für Verwaltungsneubauten, Eingriffe in die Finanzhoheit der Gemeinden;
3. Schaffung ungünstiger Voraussetzungen für eine Erhöhung der privaten Investitionen: Maßnahmen gegen Kartelle, Senkung der gebundenen Preise, Zinssenkung, Senkung der Mieten. (Quelle: Dietmar Kresse „Die Staats- und Wirtschaftskrise
des Deutschen Reichs 1929-1933“)
Die Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 14.08.1952, Neugefasst durch Bek. v. 2.6.1993 I 845; 1995 I 248
zuletzt geändert durch Art. 21 G v. 12.12.2019 I 2652.
Die Vermögensabgabe war eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die
vom Vermögen natürlicher und juristischer Personen erhoben wurde. Bemessungsgrundlage war das auch für die Vermögensteuer anzusetzende Vermögen nach dem Stand vom 21. Juni 1948. Vom sonstigen Vermögen, hauptsächlich Geld- und Kapitalvermögen, wurde ein Freibetrag von 150.000 DM abgezogen. Außerdem gab es einen Grundfreibetrag von 5.000 DM mit einer Gleitklausel. Daneben konnte die Abgabe wegen erlittener Kriegssach-, Vertreibungs- und Ostschäden im Verhältnis dieser Schäden zum verbliebenen Vermögen ermäßigt werden.
Die Vermögensabgabe betrug 50 vom Hundert des abgabepflichtigen Vermögens. Die Abgabeschuld war in 120 vierteljährlichen Raten, gerechnet ab 1. April 1949, also bis zum 31. März 1979 zu entrichten. Da eine Verzinsung einberechnet wurde, betrugen die vierteljährlichen Raten
1,5 % für Betriebsvermögen, einschließlich der meisten Betriebsgrundstücke, und sonstiges Vermögen
1,25 % für gemischtgenutzte Grundstücke des Grundvermögens und des Betriebsvermögens bestimmter Grundstücksunternehmen
1 % für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen sowie für Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser (Quelle: Wikipedia)

Das Lastenausgleichsgesetz ist auch nach 1990, wie man sieht, aktualisiert worden und stellt möglicherweise heute für den Bund eine profitable Möglichkeit dar, die Ausgaben des Staates in Notsituationen mit dem Vermögen seiner Bürger zu refinanzieren. Besonderer Ausdruck dafür ist eine relativ aktuelle Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 29.10.2008 unter dem Titel: „Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe“ (Quelle: WD 4 - 3000 - 176/08, Deutscher Bundestag) Interessierten wird empfohlen, sich die Ausarbeitung zu beschaffen. Bezüglich des Schutzes des Eigentums nach GG werden hier bemerkenswerte Einlassungen gemacht.
Wir haben aber an den kürzlichen Maßnahmen zum Infektionsschutzgesetz gesehen, dass wesentliche Bürger- und Menschenrechte, die im Grundgesetz und in der UN Konzeption für Menschenrechte (der die BRD beigetreten ist) verbindlich verankert sind, kassiert werden.

Inzwischen bringen sich die Protagonisten schon in Stellung. Einer der ersten war wohl Sigmar Gabriel:

„Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel (60) bringt nun einen Lastenausgleich ins Spiel: „Wir stehen vor einer dramatischen Entwicklung in unserer Wirtschaft.“
Deswegen fordert er: „Unsere Eltern und Großeltern haben schon mal eine Lösung finden müssen - die nannten wir ‚Lastenaustausch‘. Darüber muss man dann öffentlich reden.“ (Quelle: BILD 17.04.2020)


Dann relativ aktuell, der Erste Bürgermeister von Bremen, Regierungschef aus einem kleineren Bundesland:

„Er sei überzeugt davon, dass die Gesellschaft nach Corona eine andere sein werde als zuvor. So hat es Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) am Mittwoch in der Bürgerschaft formuliert: "Wir brauchen mehr Digitalisierung, wir brauchen eine umweltfreundlichere Industrie, wir brauchen ein leistungsstärkeres Gesundheitssystem", so Bovenschulte. Um all dies zu finanzieren, fordert Bremens Regierungschef einen "Lastenausgleich". Dahinter steckt die Idee von einer einmaligen, über viele Jahre gestreckten Vermögensabgabe der Reichen. FDP und CDU lehnen den Vorschlag ab, Grüne und Linke signalisieren ihre Zustimmung.“ (Quelle: PM vom 14.05.2020 buten un binnen)

Sehen wir uns nun an, inwieweit der Staat auf das Geschäftsguthaben der Mitglieder einer Genossenschaft – auf das Eigenkapital der Genossenschaft – zugreifen kann.

Nach den derzeit geltenden Gesetzen nicht! Obwohl man heute leider sagen muss, was gilt das schon. Doch was sagte dazu unser von allen verehrter Johann Wolfgang von Goethe: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ (s.a. Artikel 20 (4) GG).

Was ist rechtens:

„Das Geschäftsguthaben ist ein in der eG mitgliedschaftsrechtlich gebundener Vermögenswert, aber kein subjektives Recht. Er kann daher als solches während der Dauer der Mitgliedschaft nur gem. § 76 GenG auf einen Mitgenossen übertragen und weder der eG (§ 22 IV) noch einem Dritten gem. §§ 1273 BGB verpfändet werden. Er ist als solcher auch nicht pfändbar.“ (Markierung durch Beuthien)
Kommentierung zum GenG, Beuthien, § 22 Rn 13 – Grundsatz der Kapitalerhaltung:
„Die Geschäftsguthaben der Mitglieder bilden mit den Rücklagen das Eigenkapital der eG. Dieses Betriebskapital der eG ist zugleich das primäre Haftkapital für die Genossenschaftsgläubiger. Das Geschäftsguthaben jedes Mitglieds muss daher der eG, solange dieses nicht endgültig ausgeschieden ist, erhalten bleiben. Das gilt auch, wenn und insoweit das Geschäftsguthaben durch freiwillige Einzahlungen und Gewinnzuschriften gebildet wurde. Nimmt die eG Maßnahmen vor, die den zwingenden Kapitalschutzvorschriften des § 22 IV und V widersprechen, so haften die dafür verantwortlichen Vorstands- und AR-Mitglieder aus §§ 34 II Nr. 1 oder 5,41.“(Markierung durch Beuthien)
Der Schutz des Kapitals der Genossenschaft ließe sich noch an verschiedenen Textstellen im Genossenschaftsgesetz begründen, das würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen. Wichtig sind hier immer noch die drei wesentlichen Führungsprinzipien von Raiffeisen und Schulze Delitzsch für eine Genossenschaft: „Selbstverwaltung – Selbstbestimmung und Selbstkontrolle in einer staatsfernen Organisation“ wobei insbesondere die Staatsferne immer weiter versucht wird, aufzuweichen. Dem sollte die genossenschaftliche Organisation entgegen wirken.
Wie weit die genossenschaftlichen Rechtsprinzipien aus dem Bewusstsein der Menschen weiter verloren gehen sollen, wird an folgendem Beispiel deutlich. Der Autor dieses Artikels ist seit vielen Jahren Mitglied der Fördergesellschaft am Institut für Genossenschaftswesen der Philipps-Universität Marburg. Das Institut wird getragen durch die wirtschaftsrechtliche Fakultät. Hier studieren Juristen, die später einmal in unserer Wirtschaft führende Positionen übernehmen wollen oder Rechtsanwälte im Wirtschaftsrecht werden. Herr Prof. Sascha Mölls musste in seinem Geschäftsbericht anlässlich der Mitgliederversammlung im Oktober 2019 berichten, dass im Studienjahr 2019/2020 leider das letzte Seminar zum Genossenschaftsrecht in der juristischen Fakultät abgehalten wird. Die letzte Vorlesung wurde dazu bereits vor vielen Jahren gelesen. Leider muss man feststellen und das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich, das Genossenschaftsrecht wird an den deutschen Unis nicht mehr gelehrt!
An dieser Stelle kann man noch länger dazu berichten, wie es sich mit der Besteuerung der Genossenschaften und dem genossenschaftlichen Kontenrahmen verhält. Auch hier sind Finanzverwaltungen und die Zunft der Steuerberater überwiegend mangels Ausbildung überfordert. Sehr oft erlebe ich in meiner Beratungspraxis, dass die oft sehr interessanten Gründungsideen in Genossenschaften an den Vorbehalten der Steuerberater mangels Kenntnis der Zusammenhänge scheitern.
Oder schauen Sie sich mal die Existenzgründerseminare der deutsche DIHK´n an. Hier wird über Rechtsformen wie GmbH, Kg, OHG und Einzelkaufmann referiert, aber nicht, Sie ahnen es schon, über Genossenschaften!
Wir kommen wir aus dieser Misere heraus? Nur durch Information, der Autor tut dazu sein Möglichstes. Es gibt in Deutschland etwa 22 Mio. Menschen, die Mitglied einer Genossenschaft sind. Die Gruppe ist groß genug, sie sollte sich über ihre Rechte klar werden und eine Bewegung entfalten. Dann bekommt die Genossenschaft auch in Deutschland wieder die Stellung in der Gesellschaft, die sie verdient hat.

Olaf Haubold
Juni 2020

Dienstag, 23. Juni 2020

Genossenschaften, weiterhin aktuell? (Teil 3 Genossenschaften als Helfer in der Not)


Prof. Volker Beuthien, führender Kommentator zum Genossenschaftsrecht bezeichnete die Genossenschaften einmal als „Kinder der Not“. Was liegt demnach näher, als in Notzeiten die Genossenschaften – die Beteiligung an einer Genossenschaft – als sinnvollen und sehr oft ertragreichen Ausweg zur Sicherung des Geldvermögens zu suchen? Hier bieten viele Genossenschaften, teilweise schon 100 Jahre bestehende oder in den letzten Jahren neu gründete Genossenschaften attraktive Beteiligungsangebote an. Wichtig dabei ist immer, dass die Genossenschaftsbeteiligung eine Beteiligung als Unternehmer an einem Unternehmen ist, deshalb sollte man sich vorher über die Genossenschaft, und Ihren Geschäftsbetrieb informieren. Die Unternehmensleitungen geben dazu in der Regel bereitwillig Auskunft. Einige Menschen entscheiden sich auch, selbst eine Genossenschaft zu gründen. Dazu mehr im nächsten Teil.   

Donnerstag, 18. Juni 2020

Genossenschaften, weiterhin aktuell? (Teil 2 Die Vermögenssituation der Deutschen)

Im vorangegangenen Teil sind wir auf die Situation der steigenden Staatsverschuldung Deutschlands vor dem Hintergrund der Corona-Krise eingegangen. Werfen wir jetzt den Blick auf das Vermögen der Deutschen. 

„Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland belief sich zum Ende des dritten Quartals 2019 auf rund 6.302 Milliarden Euro. Damit ist es gegenüber dem zweiten Quartal 2019 um etwa 1,1 Prozent gestiegen. 
Zusammensetzung des Geldvermögens: 
Das Geldvermögen der privaten Haushalte gliedert sich in gehaltene Bargeldbestände, Bankeinlagen und Wertpapiere (Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Investmentfondsanteile) sowie in Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen. Mehr als ein Drittel ihres Geldvermögens halten die privaten Haushalte in Bargeld und Sichteinlagen. 
Geld- und Sachvermögen summiert bilden das Gesamtvermögen der privaten Haushalte. Den größten Posten des Gesamtvermögens stellt das Immobilienvermögen inklusive Landbesitz dar. Zum Ende des Jahres 2017 belief sich das in Wohnbauten bzw. Wohngebäude investierte Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf eine Summe von rund 4,47 Billionen Euro. Das private Sachvermögen insgesamt betrug etwa 8,26 Billionen Euro.“ (Quelle: Statista 2020) 

Setzt man nun berechtigt voraus, dass die von der EZB angekauften Anleihen, insbesondere aus den kreditaffinen Ländern Südeuropas zunehmend ihren Wert verlieren und durch die derzeitige ausgelöste Krise der Wirtschaft infolge des Lockdown zunehmend Unternehmensanleihen platzen werden, sieht man aus der Überdeckung der Statistiken, wo die interessanten Eier im Nest liegen.      

Immer mehr Menschen fragen sich deshalb berechtigt, wie das private Vermögen gesichert werden soll, dass oft durch die Hände Arbeit über viele Jahrzehnte für einen gesicherten Ruhestand angeschafft worden ist.

Hier helfen zur Beantwortung eingangs gestellter Frage wieder gesicherte Statistiken aus der Vergangenheit: 

„Die eigentlichen, geradezu vernichtenden Krisenjahre waren die vier Jahre von Anfang 1929 bis einschließlich 1932. Stellen wir also fest, wie sich in dieser Zeit der Bestand an Genossenschaften in Deutschland verändert hat. Die Zahlen sind sämtlich den Statistischen Jahrbüchern des Deutschen Reiches jener Zeit entnommen. Sie enthielten Jahr für Jahr eine Übersicht mit dem Titel „Gesamtbestand an Genossenschaften“, und zwar jeweils zum 1. Januar. Danach gab es 1929 52.153 Genossenschaften, 1930 52.559, 1931 52.505, 1932 52.030 und 1933 51.499 Genossenschaften. 
Ihre Zahl nahm also in diesen vier Krisenjahren um 654 ab. Das sind sage und schreibe lediglich 1,25%!
Am 1. Januar 1929 gab es 11.842 Aktiengesellschaften. Vier Jahre später, am 31. Dezember 1932, lag diese Zahl bei 9.638. Die Abnahme betrug also 2.204 Aktiengesellschaften. Das entspricht einer Quote von 18,6% gegenüber 1928/29.
1926 gab es in Deutschland 57.338 GmbH. In den Jahren 1927 und 1928 nahm die GmbH-Zahl zusammen um 11.248 ab. Sie betrug also um die Jahreswende 1928/1929 noch 46.090. Diese Zahl verminderte sich nun 1929 um 2.490 und in den folgenden drei Jahren um zusammen 1.440 Unternehmen in den vier uns hier interessierenden vier Krisenjahren also um 3.930. Das ergibt einen Anteil von 8,5%. 
Diese Zahlen sollen noch einmal untereinander gestellt werden: Abnahme bei den Genossenschaften um 1,25%, Abnahme bei den Aktiengesellschaften um 18,6%, Abnahme bei den GmbH um 8,5%. Der Anteil der Unternehmen in den beiden kapital-gesellschaftlichen Rechtsformen verminderte sich also um das 15fache und das 7fache gegenüber der genossenschaftlichen Rechtsform.“ (Quelle: Wilhelm Kaltenborn, Verdrängte Vergangenheit. Heinrich-Kaufmann-Stiftung 2015)

Dienstag, 16. Juni 2020

Genossenschaften, weiterhin aktuell? (Teil 1 Die aktuelle Staatsverschuldung)

Um uns der Beantwortung dieser Frage nähern zu können, müssen wir uns zuerst das Verhältnis staatlicher Schulden und privater Vermögen ansehen. Werfen wir zuerst einen Blick auf die Schulden. Damit die Staaten Schulden machen können, müssen sie sich Geld leihen, hauptsächlich von der EZB. Früher hatten sie sich das Geld auch von Ihren Bürgern geliehen, das ist jedoch in Niedrigzinsphasen nicht lukrativ für den Bürger. Also schmeißt die EZB die Notenpresse an und die Staaten emittieren Papier in Form von Staatsanleihen. Dann werden die – oft wertlosen – Zettel ausgetauscht:  

„Am 22. Januar 2015 kündigte die EZB ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an. Das Ankaufprogramm sieht vor, dass die EZB zusätzlich zu ihren bestehenden Programmen zum Ankauf von Vermögenswerten des privaten Sektors Staatsanleihen ankauft, um den Risiken einer zu lang anhaltenden Phase niedriger Inflation zu begegnen. Das Programm bestand zunächst aus drei Komponenten:
- 3. Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3)
- Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP)
- Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP)
Zum 1. April 2016 wurde das APP um ein Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) erweitert. 

Im Dezember des Jahres 2018 wurden die Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten der EZB vorläufig beendet. Seit dem 1. November 2019 werden wieder Nettoankäufe in einem monatlichen Umfang von rund 20 Milliarden Euro durchgeführt.
Ende April 2020 belief sich der Bestand aufgekaufter Anleihen der EZB auf rund 2.705 Milliarden Euro.“ (Quelle: Statista 2020)

„Die deutschen Staatsschulden sind im Jahr 2019 um 16 Mrd. Euro gesunken (abgegrenzt gemäß Maastricht-Vertrag). Zum Jahresende betrugen sie 2,053 Billionen Euro.“ (Quelle: Bundesbank) 

Die derzeitige wirtschaftliche Depression, ausgelöst durch den Lockdown im Zusammenhang mit Corona, führt zwangsläufig zu einer Wiederaufnahme bzw. Erweiterung der Schuldenprogramme, auch in Deutschland. 

„Hinzu tritt der Bund mit umfangreichen Hilfsmaßnahmen. Beim Schutzschild für Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen handelt es sich um das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro.“ (Quelle: Bundesministerium der Finanzen)

Donnerstag, 11. Juni 2020

Wohnungsbaugenossenschaften nehmen an Bedeutung zu

„Gerade vor dem Hintergrund der Wohnungsknappheit bezahlbarer Wohnungen in Deutschland nehmen Wohnungsbaugenossenschaften an Bedeutung zu“, erklärt Genossenschaftsberater und Genossenschaftsgründer Olaf Haubold. Die rund 2000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland haben ca. 2,2 Millionen Wohnungen im Bestand. Es gibt sie seit dem 19. Jahrhundert. Die ersten wurden gegründet, um ihren Mitgliedern das Leben in gesunden, gut ausgestatteten Wohnungen zu ermöglichen und sie vor Ausbeutung zu schützen. Mitbestimmung und Solidarität sind bis heute wichtige Grundsätze geblieben: Die Genossenschaftsmitglieder haben ein weitgehendes Mitwirkungsrecht und können sicher sein, dass sich die Genossenschaft nicht an den Interessen fremder Kapitalgeber orientiert, sondern ausschließlich an denen der Mitglieder. Erwirtschaftete Überschüsse werden in die Erhaltung und Modernisierung der Bestände, in den Neubau und in den Ausbau der Service-Angebote investiert. „Gerade die fehlende Gewinnorientierung macht Wohnungsgenossenschaften für viele Städte zu einer sinnvollen Alternative zum rein kommerziell ausgerichteten Wohnungsbau“, meint Genossenschaftsberater Olaf Haubold

Donnerstag, 4. Juni 2020

Carsharing durch Genossenschaften

„Carsharing gewinnt an Beliebtheit“, erklärt Genossenschaftsberater und Genossenschaftsgründer Olaf Haubold. In der Regel gäbe es dabei eine feste „Station“, wo die Autos abgeholt und auch wieder hingebracht werden. Und während kommerzielle Anbieter sich mehr auf Städte konzentrieren, gäbe es in dünner besiedelten Gegenden eher weniger Angebote. Dennoch müssen man auf die Idee des Carsharing auch „auf dem Land“ nicht verzichten. Rechtliche Basis dieser Zusammenschlüsse seien meist Genossenschaften oder Vereine. Hilfe bei der Gründung eines Carsharing-Angebots bieten auch Firmen wie MOQO an. Das junge Unternehmen aus Aachen hat sich darauf spezialisiert, Shared-Mobility-Projekte zum Laufen zu bringen, sei es von Gemeinden, Bürgervereinen oder auch Stadtwerken. MOQO stellt dabei eine komplette Plattform zur Verfügung und setzt auf Digitalisierung. „Die App ersetzt dabei den Schlüsselkasten“, so Genossenschaftsberater Olaf Haubold.

Dienstag, 2. Juni 2020

Solidarität bei Genossenschaften – auch in schwierigen Zeiten

Für viele Wohnungsbaugenossenschaften sind Solidarität und Miteinander täglich gelebte Praxis“, erklärt Genossenschaftsberater und Genossenschaftsgründer Olaf Haubold. Dass diese Werte bei Genossenschaften keine leeren Versprechen sind, zeigt sich vor allem in schwierigen Zeiten wie den aktuellen. Gerade jetzt sind Hilfsbereitschaft, Empathie, Pragmatismus besonders gefragt und werden auch besonders gelebt. Wohnungsbaugenossenschaften empfinden in solch einer Situation besondere Verantwortung. Denn das raiffeisensche Motto "Was einer alleine nicht schafft, schaffen viele" zählt jetzt erst recht. Ein Beweis dafür sind die vielen Nachbarschaftsinitiativen, Netzwerke, Einkaufshilfen, die sich in den letzten Tagen deutschlandweit gegründet haben. „Ein Beweis dafür sind die vielen Nachbarschaftsinitiativen, Netzwerke, Einkaufshilfen, die sich in den letzten Tagen deutschlandweit gegründet haben“, so Genossenschaftsberater Olaf Haubold.