Grundsätzlich gilt: Eine eingetragene Genossenschaft ist
im Unterschied zu allen anderen Gesellschaftsformen dazu gesetzlich
verpflichtet, ihre Mitglieder im Rahmen des Förderauftrages gem. § 1 GenG zu
fördern. Das sollte auch, vielleicht sogar besonders im Jahr des 200.
Geburtstages von Friedrich Wilhelm Raiffeisen für die annähernd 1.100 Volks-
und Raiffeisenbanken in Deutschland gelten „Für die rund 22 Millionen
Mitglieder dieser eingetragenen Genossenschaften gilt das jedoch möglicherweise
nicht. Viele der von mir dazu befragten Menschen merkten jedenfalls außer der 4
bis 5 Euro Dividendengutschrift für die gezeichneten Genossenschaftsanteile
nichts weiter im Zusammenhang mit Mitgliederförderungen an“, meint
Genossenschaftsberater und Genossenschaftsgründer Olaf Haubold.
Der Deutsche Bundestag hat in der Drucksache V/3500 vom
18.11.1968 bereits deutlich zum Thema
Förderzweck Stellung genommen und unmissverständlich festgestellt: „Die Geschäftstätigkeit
der Kreditgenossenschaften hat sich an der im Genossenschaftsgesetz statuierten
Aufgabe auszurichten, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern. Da diese Förderung durch
unmittelbar gewährte Sach- und Dienstleistungen verwirklicht werden soll, liegt
der Geschäftszweck der Genossenschaften seinem Wesen nach nicht in der
Erzielung von Gewinnen. Diese Förderung hat sich im Wege unmittelbar gewährter
Sach- und Dienstleistungen zu vollziehen, so dass sich für die Genossenschaften
die Gewinnmaximierung als tragende Zielvorstellung der Geschäftspolitik
verbietet. Damit unterscheiden sich die Kreditgenossenschaften grundsätzlich
von den übrigen privatrechtlichen Kreditinstituten.“
„Besser kann man die Aufgabe der Volks- und
Raiffeisenbanken nicht zusammenfassen. Aber wie sieht die Realität aus“, fragt
sich Genossenschaftsberater Haubold. Die Volks- und Raiffeisenbanken
realisieren heute im Schnitt zu 60 Prozent ein Nichtmitgliederschäft, also
geben Kredite an Kunden, die kein Mitglied sind. „Soweit so gut, aber erhalten dann
die Mitglieder bessere Kreditbedingungen? Erhalten sie bessere Kontoführungsgebühren?
Wird den Mitgliedern der zu viel erbrachte Betrag im Rahmen der
Mitgliederwirtschaft als genossenschaftliche Rückvergütung ausgezahlt? Leider
nein“, so Haubold. Es stelle sich wirklich die Frage, ob diese Vorgehensweise
dann im Sinne der oben aufgeführten Stellungnahme des Bundestages sei.
Was wäre dann eigentlich die gesetzliche Konsequenz, wenn
die Volks- und Raiffeisenbanken die Mitgliederförderung nicht in diesem Sinne
wahrnehmen?
„Betreibt eine Kreditgenossenschaft keine direkte oder
unmittelbare Mitgliederförderung mehr, sondern richtet ihr Hauptaugenmerk auf
Gewinnmaximierung, liegt ein Verstoss gegen die zwingenden Vorschriften der
Rechtsform Genossenschaft vor“, meint Haubold. Um das auszuschließen wurde 2006
mit der Reform des GenG auch der § 81 des GenG neu gefasst. Das GenG schreibt
im § 81 die Auflösungsgründe für eine Genossenschaft vor. Diese wurden 2006
ergänzt um: „…oder ist der Zweck der Genossenschaft entgegen § 1 nicht auf die
Förderung der Mitglieder gerichtet, kann die Genossenschaft auf Antrag der
zuständigen obersten Landesbehörde, in deren Bezirk die Genossenschaft ihre
Sitz hat, durch Urteil aufgelöst werden.“ „Es bleibt abzuwarten, ob wir 2018 im
Ergebnis der Prüfung der gesetzlichen Prüfungsverbände bei den Volks- und
Raiffeisenbanken mit einer verstärkten Auflösung von Genossenschaften, oder mit
einer Umwandlung in andere Rechtsformen zu rechnen haben. Vielleicht ergibt
sich aber auch, dass diese die Förderung der eigenen Mitglieder stärker in den
Mittelpunkt stellen, was wünschenswert wäre“, fasst Genossenschaftsberater Olaf
Haubold, Vorstand der Cooperative Consulting eG zusammen.
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